Gut online texten für das Web und Social Media
Wenn Sie gut online texten wollen, denken Sie vor allem daran, dass sich unser Leseverhalten in den letzten 20 Jahren stark verändert hat. Der technische Fortschritt stellt immer neue Herausforderungen an die Verarbeitung und den Konsum von Informationen. Zudem nimmt die Fülle an Nachrichten und Inhalten ebenso konstant zu wie die Nutzung von Medien über alle Kanäle. Wir sprechen von einem Informations-Tsunami, der uns allein bis zu 10.000 Werbekontakte pro Tag beschert.
Lesen Sie die 5 Grundregeln für gute Texte im Blog, auf der Webseite, für Newsletter und Social Media:
Schon mit der Einführung der E-Mail und dem damit verbundenen Newsletter begann der Wandel. Das „Scrollen“ nahm als zusätzliche Dimension Einfluss auf das Leseverhalten. Gefolgt vom Internet, auf dessen Webseiten Text und Leseführung wieder einen neuen Weg gingen. Noch schneller und intensiver wurde es mit den sozialen Medien und ihren Kurztexten, die auch noch über Tablets und Smartphones den Weg in die mobile Kommunikation beschleunigten. Diese Entwicklung verläuft keineswegs geradlinig, vielmehr ist es ein Mäandern von einem Trend zum nächsten. Durften anfangs Webseiten nur so groß sein wie ein durchschnittlicher Bildschirm, werden mit Social-Media-Newsstreams auf Smartphones und der damit verbundenen Scroll-Möglichkeit die Seiten bald wieder überquellen vor Text und Inhalten.
Analysen mit Augenkameras haben die veränderten Blickverläufe nachvollzogen und dokumentiert. Quasi die Geheimnisse gelüftet. Wer sie kennt, kann auch die Leseführung bei digitalen Texten übernehmen – wir wollen ja auch im Internet unseren Lesern helfen, zum Ziel zu kommen.
1. Das Wichtigste zuerst
In den sozialen Medien wird nicht gelesen, sondern überflogen. Wenn Sie Facebook nutzen, kennen Sie das bestimmt. In der Mittagspause schalten Sie Ihr Smartphone ein und checken Ihren Newsstream. Dabei wischen Sie durch den Nachrichteneingang und bleiben gelegentlich an Nachrichten oder Posts hängen, die Sie besonders interessieren. Oder besser gesagt, die es schaffen, Ihr Interesse sofort zu wecken.
Richtig, die erste Aufmerksamkeit wird wahrscheinlich ein Bild oder Video erzeugen. Aber das Bild alleine schafft es nicht, es gehört noch die Story dazu, die den Post lesenswert macht. Beispiel: Sie sehen ein Bild Ihres Lieblingsmusikers. Ihr Interesse ist geweckt und neugierig werfen Sie einen interessierten Blick auf die Nachricht. Erst die Story dahinter wird Sie veranlassen, auf die Nachricht zu klicken und eventuell einen ausführlicheren Artikel zu lesen. Ob der Musiker eine CD herausgebracht hat, auf Tournee geht oder es gar einen Skandal um seine Person gibt.
Sie haben sicher noch Ihre Deutsch-Aufsätze aus der Schule präsent. Klassisch geht’s los mit der Einleitung, es folgen eine These, der Inhaltsteil und der Schluss. In einer Erzählung bauen Sie dazu noch einen schönen Spannungsboden auf. Vergessen Sie das alles, wenn es um Social Media geht. Packen Sie das, was Sie zu sagen haben, in die ersten fünf Wörter Ihres Postings. Schreiben Sie keine einleitenden Sätze, denn niemand wird sie zu Ende lesen.
Wenn Ihre wichtigsten Inhalte am Anfang stehen, verdoppeln sich Ihre Chancen auf Reichweite. Der Leser kann sogar beim Überfliegen die Botschaft aufnehmen, auch wenn er nicht tiefer in das Posting einsteigt. Wenn er interessiert ist, haben wir die größten Chancen, ihn gleich mit dem richtigen Thema abzuholen. Der Vorteil dabei: Der Leser wird selten enttäuscht, wenn er auf eine Zielseite geleitet wird, denn er bekommt genau das, was im Post angekündigt war.
Jetzt entgegnen Sie vielleicht, dass doch heftig.co und andere Seiten wie der Postillon genau mit Einleitungen Erfolg haben, die reißerisch auf Neugierde setzen. Sie kennen solche Teaser bestimmt: „Als ein Mann ahnungslos seinen Fuß in den Fluss steckte, passierte etwas völlig Unglaubliches, das für immer sein Leben veränderte …“. Funktioniert auch, aber eben nur für Seiten mit Yellow-Press-Inhalten oder mit ausschließlich viralen Inhalten. Wer da inhaltlich nicht hingehört, wird mit reißerischen Teasern keinen Erfolg verbuchen. Denn es gilt der Grundsatz „Halten Sie, was Sie versprechen“.
2. In der Kürze liegt die Würze
„Ich schreibe dir heute einen langen Brief, denn für einen kurzen hatte ich keine Zeit“. Vielleicht kennen Sie diesen Spruch, den Sie gleich unter mehreren bedeutenden Wortzauberern wie Goethe, Pascal, Twain, Voltaire oder Marx finden können. Selbst bedeutende Staatsmänner wie Eisenhower oder Churchill forderten gekürzte Texte, getreu dem Motto: Was nicht auf eine Seite passt, kann nicht wichtig sein.
Wer schon mal einen langen Text kürzen musste, ohne inhaltlich einzubüßen, weiß, welche Herkules-Arbeit dahintersteckt. Oft braucht es mehrere „Kürzungsrunden“, bis der Text die optimale Länge hat.
3. Geschichten erzählen, keine Nachrichten
Nutzer von Social Networks wie Facebook und Google+ sind dort unterwegs, um sich zu unterhalten und unterhalten zu lassen. Sie suchen in der Zeit weder nach Werbung noch nach Informationen. Die Kommunikationsstrategie eines Unternehmens als Seitenbetreiber in Social Networks muss deshalb eine gänzlich andere sein als in Business Networks wie Xing und LinkedIn.
Verfolgen Sie doch dazu den nicht nur auf Facebook ungemein beliebten Hans Sarpei, ein ehemaliger Fußball-Bundesliga-Profi und Nationalspieler von Ghana. Nach seiner sportlichen Karriere begann er als Social-Media-Berater für Karstadt Sport und hat selbst über 500.000 Fans auf seiner eigenen Facebook-Seite. Hans Sarpei ruft schon mal über die Stern-Stimmen auf stern.de den zu eifrig kritisierenden Til Schweiger zur Räson – und wird gehört.
Hans Sarpei beherrscht die Facebook-Kommunikation, das „Märchen-Erzählen“ statt trister Nachrichten, hervorragend.
Ein Beispiel: Als der Fußball-Bundestrainer Jogi Löw den Kader für die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien bekannt gab, fehlte zur Überraschung vieler der Name „Mario Gomez“. Der klassische Berichterstatter spitzte den Bleistift und los ging es mit Meldungen im Stile von: „Unsere Elf für Brasilien ohne Stammstürmer Mario Gomez“. So oder so ähnlich und absolut austauschbar konnten wir die Nachricht überall auf Facebook lesen
Hans Sarpei wählte wie gewohnt eine Variante, die mit deutlich mehr Emotionen aufgeladen war: „Mario Gomez gefällt ab-in-den-urlaub.de“. Und benötigte dazu gerade mal vier Wörter inklusive dem Namen des Stürmers. Mit dem versteckten Hinweis, dass Mario Gomez durch die Nicht-Nominierung seinen Urlaub nun früher planen kann, war mit der eigentlichen Information noch eine gehörige Portion Schadenfreude mit dabei. Eine Emotion, die zwar nicht zu den edelsten gehört, aber ähnlich wie die Neugierde einen starken Antrieb auf uns Menschen ausübt.
Sie haben nun verstanden, was mit „Märchen“ gemeint ist. Wenn Sie in Social Networks schreiben, verpacken Sie Ihren Text in Geschichten, so wie ein Geschenk immer in Geschenkpapier verpackt wird
4. Aktivierende Texte
Social Media sind deswegen so erfolgreich, weil unsere Kunden und Leser sich auf Augenhöhe mit uns befinden. Die Stimme eines einzelnen kann genauso laut sein wie die Stimme eines Konzerns. Vorbei ist die Zeit des Einbahnstraßen-Marketings, als es nur eine Richtung der Kommunikation gab. Nämlich vom Unternehmen zum Kunden. Machen Sie den Bock zum Gärtner und aktivieren Sie Ihre Fans und Kunden für Ihre Botschaften:
- Am wenigsten Aktion von Ihren Fans erhalten Sie mit beschreibenden Texten. Beschreibende Texte werden oft zu Bildern oder Videos verwendet: „Gerade entdeckt: Das neueste Tesla-Model“
- Versuchen Sie, Fans immer mit einzubeziehen und hängen der Beschreibung noch eine Frage an: „Sieht gut aus. Aber ist Strom wirklich eine ideale Antriebsart für Autos?“ Die Fragestellung zu kontroversen Themen funktioniert übrigens auch bestens in Business-Netzwerken. Stellen Sie doch einfach mal ein oft umstrittenes Thema zur Diskussion. Zum Beispiel Thema Steuern: „Ist das Familiensplitting eigentlich noch sinnvoll?“. Aber Achtung, vergessen Sie nicht zu moderieren, wenn die Diskussion anfängt sich aufzuheizen.
- Zur Aktivierung von Kontakten 2. Grades (Freunde Ihrer Freunde) bieten sich Gewinnspiele an, die die virale Verbreitung einer Nachricht unterstützen. Seitdem Facebook Gewinnspiele im Newsfeed erlaubt, sind sie dort noch beliebter: „Jeder, der den Post teilt, nimmt automatisch am Gewinnspiel teil.“ Achten Sie darauf, dass die Kommentarfunktion und das Liken mehr dazu geeignet sind, die eigenen Fans zu aktivieren, weniger die Kontakte 2. Grades. Außerhalb von Facebook funktionieren kanalübergreifende Gewinnspiele.
- Die sozialen Medien sind eine Mitmach-Community. Fordern Sie Ihr Fans zum aktiven Mitmachen und Nachdenken auf: „Vervollständige diesen Satz: Ein gutes Elektroauto muss…“
5. Dinge, die Sie nicht tun sollten
Wenn Sie gut online texten wollen, gibt es genauso Dinge die Sie auf keinen Fall tun sollten. Das sind die „Dont´s“:
- Fehler vertuschen – Fehler sind menschlich und können immer passieren. Wenn Ihnen ein inhaltlicher oder orthografischer Fehler unterlaufen ist – halb so schlimm. Gehen Sie locker damit um, reagieren Sie und berichtigen Sie. Versuchen Sie auf keinen Fall, den Fehler zu verbergen oder gar zu vertuschen. Ihre Leser werden sich das merken und sofort darauf reagieren.
- Kommentar löschen – Löschen Sie keine Kommentare, auch wenn er scharfe Kritik beinhaltet. Auch wenn Sie diese für nicht gerechtfertigt halten. Es herrscht Meinungsfreiheit. Nutzen Sie die Gelegenheit zur Diskussion und Überzeugungsarbeit.
- Einfach schweigen – ist meistens auch keine Lösung. Suchen Sie die Diskussion, den Social Media lebt vom Mitmachen. Antworten Sie auf konkrete Fragen, zumindest müssen Sie als Moderator bereitstehen. In einer gut funktionierenden Community haben Sie im Idealfall schon Kernleser, die die Beantwortung der Fragen übernehmen. Sie behalten aber die Oberhand, moderieren, schlichten und wenn nötig korrigieren Sie.
- Langweilen! – Schreiben Sie nicht um des Schreibens willen oder konstruieren Sie auf Biegen und Brechen. In diesem Fall ist weniger mehr.
- Inhalte klauen – Natürlich dürfen Sie gute Inhalte teilen und weitersagen. Das sollen Sie ja auch, darum geht es schließlich bei Social Media. Aber tun Sie nicht so, als ob es Ihre Idee gewesen wäre. Referenzieren Sie auf die Quelle oder markieren Sie den Urheber in Ihrem Beitrag. Er oder Sie und auch Ihre Leser werden es Ihnen danken und die Diskussionen in einem weit größeren Kreis führen, was letztlich wieder Ihnen zugutekommt.
Seminare:
Ein wunderbares Seminar zum Thema istTexten für Social Media, das ich in Zusammenarbeit mit Stefan Gottschling, dem deutschen Texterpapst vom Texterclub anbiete.
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